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Sechs Jobcenter habe er schon „von innen gesehen“, sagt Lulies. Vom Niederrhein bis an die Nordseeküste war er bereits in Behörden beschäftigt. Seit fast drei Jahren betreut er nun im Jobcenter der Stadt Hamm Menschen mit gesundheitlichen Einschränkungen. „Ich möchte meine Klientinnen und Klienten möglichst in Arbeit vermitteln oder ihnen helfen, eine Qualifizierung oder eine Umschulung anzutreten“, erklärt er. Die Aufgabe ist anspruchsvoll. 75 Prozent der Personen, um die er sich kümmert, haben eine chronische psychische Erkrankung, „oft kombiniert mit einem körperlichen Handicap“. In vielen Fällen geht es deshalb in einem ersten Schritt darum, zunächst eine ärztliche Behandlung sicherzustellen.

An der FH Bielefeld hat Lulies soziale Arbeit mit dem Schwerpunkt psychosoziale Beratung studiert. In anderen Jobcentern hat er schon als Coach und Bewerbungstrainer dazu beigetragen, Menschen in den Arbeitsmarkt zu integrieren, die sich ohne Unterstützung schwer tun. An Berufserfahrung fehlt es ihm folglich nicht. Dennoch, der Diplom-Sozialarbeiter ist neugierig geblieben – und dafür nimmt er jeden Dienstag und Donnerstag nach Feierabend den Weg von Hamm nach Münster zum IHK-Bildungszentrum auf sich.

Vorbereitung auf neue Aufgaben

Das hat für ihn auch praktische Gründe. Lulies ist beim Jobcenter Hamm für das vom Bund finanzierte Projekt „rehapro“ tätig, das bis Mitte 2026 läuft. Anschließend, das steht bereits fest, kommen neue Aufgaben auf ihn zu. Darauf bereitet er sich mit der Fortbildung zum geprüften Fachwirt im Gesundheits- und Sozialwesen vor. Diese wird er im März 2026 nach eineinhalb Jahren mit einer bundeseinheitlichen Prüfung abschließen und dann einen anerkannten Abschluss, gleichwertig zum akademischen Bachelor, in der Tasche haben.
Die Fachwirtinnen und Fachwirte übernehmen Leitungs- und Managementaufgaben, zum Beispiel in Verbänden, in Jugendeinrichtungen, in Pflegeheimen, in Beratungsstellen, Krankenhäusern, Versicherungen oder auch in Behörden wie Gesundheitsämtern und Jobcentern. Dort planen, organisieren, steuern, überwachen und optimieren sie betriebliche Prozesse.
Seine „thematischen Favoriten“ sind bisher das Personalwesen und das Qualitätsmanagement. Außerdem lernt er, wie Investitionen vorbereitet, Kommunikationsprozesse nach innen und außen gelenkt und Marketingmaßnahmen durchgeführt werden. „Sogar das politische System in Deutschland war schon Thema“, berichtet er. Solche Hintergründe dazu, wie Sozialversicherungssysteme organisiert sind oder wie sich Krankenhäuser und Krankenkassen finanzieren, seien hilfreich fürs Verständnis unserer Demokratie, unterstreicht Lulies.
Hier sehen Sie Vincent Lulies. Teilnehmer des Lehrgangs Fachwirt im Gesundheits- und Sozialwesen, der uns ein Interview gibt.
© Hertel/IHK NordWestfalen

Betriebswirtschaftlicher Blick aus der Praxis

Die IHK Nord Westfalen arbeitet bei ihren Vorbereitungslehrgängen für die Fachwirteprüfungen mit erfahrenen Trainerinnen und Trainern zusammen. Was viele von ihnen mit den Lehrgangsteilnehmerinnen und -teilnehmern gemeinsam haben: „Sie fahren selbst nach ihrer Arbeit von ihrem Unternehmen nach Münster, um bei uns zu unterrichten“, berichtet IHK-Teamleiterin Marleen Walter. Die Dozentinnen und Dozenten der IHK-Fortbildung für angehende Fachwirte im Gesundheits- und Sozialwesen sind nicht zwingend im Gesundheitssektor tätig. Neben einem Experten aus einer Krankenkasse sind beispielsweise auch hauptberufliche Banker oder der Projektmanager eines Maschinenbauunternehmens dabei.
Das stellt einerseits eine große Praxisnähe sicher, ermöglicht andererseits einen kaufmännischen und betriebswirtschaftlichen Blick über den Tellerrand. Das spricht Lulies besonders an, denn „die Grundlagen eines Sozialunternehmens sind ganz ähnlich wie die eines Industriebetriebs“, hat er festgestellt. Auch Betriebswirtschaft sowie die Steuerung betriebswirtschaftlicher Prozesse und Ressourcen stehen deshalb auf dem Stundenplan.

„Weiterbildung ist Gold wert“

Was Lulies zudem sehr schätzt, ist der Austausch mit den 15 angehenden Fachwirtinnen seines Kurses – der Diplom-Sozialarbeiter ist nicht nur der älteste, sondern auch der einzige männliche Teilnehmer. „Ich erfahre mehr aus dem Arbeitsalltag zum Beispiel in der Pflege“, erzählt er. „Weiterbildung ist Gold wert“, steht für ihn auch wegen solcher Berufseinblicke aus erster Hand fest – schließlich vermittelt er im Jobcenter immer wieder Klientinnen und Klienten in Pflegejobs.
Dass sich gerade Beschäftigte in ihrer Lebensmitte weiterbilden, hat für IHK-Referentin Tanja Böhm gute Gründe. „Wer noch 15 oder 20 Jahre Berufsleben vor sich hat, der möchte sich vielleicht noch einmal verändern, neue Aufgaben anpacken“, stellt sie fest. Sich dafür fit zu machen und zu qualifizieren, sei eben längst nicht mehr ein Thema nur für junge Menschen.
Neben der IHK Nord Westfalen bieten weitere Institutionen Fortbildungen für Fachwirte an. Seine Entscheidung für eine IHK-Weiterbildung hängt mit guten Erfahrungen zusammen, sagt Lulies: „Eine Coach-Ausbildung bei der IHK in Arnsberg hat mich überzeugt“. Sein Tipp: „Erst einmal ein, zwei Tagesseminare buchen und die Gegebenheiten vor Ort kennenlernen.“ Für ihn soll nach der Prüfung zum Fachwirt noch nicht Schluss sein, das lebenslange Lernen wird weitergehen: „Auf den Lehrgang Kommunikationstrainer hätte ich noch Lust“, blickt er voraus.